How queer is the library? Die Frage nach der Inklusion von LGBTIQ* in öffentlichen Bibliotheken

von Susanne Gerlach

Abbildung 1: Pride Parade vor der New York Public Library (© Pixabay/LazarCatt)

Die öffentlichen Bibliotheken sind ihrem Selbstverständnis nach ein offener, inklusiver Ort für alle. Doch welche Bevölkerungsgruppen und vor allem gesellschaftliche Minderheiten umfasst dieses „alle“ tatsächlich? Herrscht in öffentlichen Bibliotheken in Deutschland wirklich ein gesteigertes Bewusstsein für Diversität in ihren unterschiedlichen Facetten? Und wie sieht es konkret mit der Inklusion und aktiven Berücksichtigung des Diversity-Aspekts Geschlechtsidentität und sexuelle Orientierung aus?

Mit dieser Frage hat sich das hier vorgestellte Praxisprojekt des MALIS-Jahrgangs 2020 im Rahmen einer quantitativen, anonymen Online-Befragung unter Bibliotheksmitarbeitenden in Deutschland beschäftigt. Vorausgeschickt werden muss, dass dieses Thema in der deutschsprachigen Bibliotheksforschung bisher kaum berücksichtigt wurde und das Projekt somit gewissermaßen Neuland betreten hat und keine Vergleichsdaten als Referenz heranziehen konnte.

An der Online-Befragung, die über die Dauer von zwei Wochen im Juli 2021 durchgeführt wurde, haben sich insgesamt 461 Personen beteiligt, davon 194 aus öffentlichen Bibliotheken. Alle nachfolgend dargestellten Ergebnisse und Erkenntnisse beziehen sich auf diesen Personenkreis. Der Fragebogen umfasste, neben Angabemöglichkeiten zu demografischen Daten, insgesamt elf themenbezogene Fragen, die sich wie folgt gliederte: konkrete bibliothekarische Angebote mit LGBTIQ*-Bezug einerseits und Einstellungen und Einschätzungen zum Thema geschlechtliche und sexuelle Vielfalt im Bibliothekskontext andererseits.

Erkenntnisse

Abbildung 2: Antworten auf die Frage: Ich halte Sensibilisierung und Inklusion hinsichtlich des Themas geschlechtliche Vielfalt für wichtig (Quelle: EFS Reporting+)

Die grundsätzliche Sensibilisierung auf Seiten der Bibliotheksmitarbeiter*innen scheint bei 91% Zustimmung zur Wichtigkeit und Relevanz des Themas eindeutig gegeben. Diese Tatsache findet sich auch darin gespiegelt, dass bei mehr als der Hälfte der Befragten auf die Inklusion von LGBTIQ*-Themen bei der Bestandsarbeit geachtet wird.

Abbildung 3: Antworten auf die Frage: Beim Bestandsaufbau/der Medienauswahl wird die Sichtbarmachung und Inklusion von LGBTIQ*-Themen …(Quelle: EFS Reporting+)

Als kongruent zum Selbstverständnis der öffentlichen Bibliothek als inklusiver Ort für alle lässt sich die Aussage von 83% der Teilnehmenden deuten, dass sie Inklusion und Bildungsarbeit zum Thema LGBTIQ* völlig oder doch eher als genuine Aufgabe ihrer Einrichtung verstehen.

Darüber hinaus scheint das Thema geschlechtliche und sexuelle Vielfalt in vielen Einrichtungen keinen allzu großen Raum zu bekommen und insbesondere von institutioneller (Führungs-)Seite nicht allzu priorisiert auf der Agenda zu stehen. So verfügen über 57% der untersuchten Einrichtungen laut Aussage der Mitarbeitenden über kein Leitbild, das Vielfalt/Diversitätsaspekte – und somit LGBTIQ* auch nur implizit – benennt. Ebenso geben mehr als 80% der Befragten an, dass an ihrer Einrichtung keinerlei Informations-, Sensibilisierungs- oder Weiterbildungsangebote zu Fragestellungen geschlechtlicher und sexueller Vielfalt existieren.

Es bleibt daher festzuhalten, dass auf Seiten der öffentlichen Bibliotheken noch deutlich mehr Potenzial besteht, die Inklusion, Sichtbarmachung und Zielgruppenberücksichtigung in Hinblick auf LGBTIQ*-Nutzer*innen voranzutreiben. Insbesondere scheint es auf bibliothekarischer Leitungsebene gefordert, mehr und sichtbare Ressourcen für Bibliotheksmitarbeitende zur Verfügung zu stellen, damit diese informiert und kompetent die Inklusion von LGBTIQ* in ihrer eigenen Einrichtung angehen können.

 

Projektzeitraum: April 2021 bis August 2021
Projektbetreuer*in: Prof. Dr. Simone Fühles-Ubach
Kontakt: gerlach­_susanne@gmx.de

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