von Arne Schiffler
Abb. 1: Universitätsgebäude Köln mit Studentenbücherei (Quelle: Arne Schiffler)
Als traditionsreiche Institution beherbergt die Universitäts- und Stadtbibliothek Köln (USB) eine Vielzahl geschichtsträchtiger Bücherschätze. Gleichzeitig ist der historische Bestand der Bibliothek noch lange nicht vollständig erschlossen. Daher kommt es immer wieder dazu, dass unentdeckte Raritäten oder sogar ganze bislang unbekannte Sammlungen in den Magazinen entdeckt werden. Einer solchen Sammlung wurde in diesem Projekt nachgespürt. Der bis dato verschollenen Kölner Studentenbücherei der Zwischenkriegszeit.
Der Fund
Im Winter des Jahres 2021 wurden im Hauptmagazin der USB zufällig mehrere Bände mit Besitzstempeln des Allgemeinen Studenten Ausschusses Köln (AStA) gefunden. Zudem enthielten alle Bände eine mit Bleistift eingetragene Zugangsnummer, die, gemäß der gängigen Codierung, die Erwerbung im Jahr 1940 als gemeinsames Konvolut belegt. Alle Bände waren in die reguläre Bibliothekssystematik eingearbeitet.
Wie kamen diese Bände in den Besitz der USB? Was war ihre Geschichte? Und waren die gefundenen Bände Einzelfälle oder steckt eine größere, bislang nicht erfasste Sammlung dahinter?
Die Recherche
Die Beschäftigung mit der Geschichte des Kölner AStA ergab, dass dieser sich bereits seit 1920 nur noch Kölner Studentenschaft nannte und zudem 1927 auf Grund völkischer und antidemokratischer Positionierung durch das preußische Innenministerium aufgelöst worden war. Wie konnten Bücher dieser schon Jahre vorher aufgelösten Institution 1940 in die USB gelangen? Um diese Frage zu beantworten, musste zunächst die Frage geklärt werden, warum der AStA überhaupt Bücher mit seinem Stempel versehen hatte.
Diese Frage führt zu einer besonderen Einrichtung an der Universität zu Köln, der Kölner Studentenbücherei. Diese wurde 1920 unter der Schirmherrschaft des Kölner Oberbürgermeisters Dr. Konrad Adenauer ins Leben gerufen. Inspiriert von britischen College Libraries sollte es den Studierenden ermöglicht werden, in der intimen Atmosphäre privater Clubräume ihren geistigen Horizont über die eigenen Fachdisziplinen hinaus zu erweitern. Der Literaturbestand sollte daher nicht nur der Unterhaltung dienen, sondern es den Nutzerinnen und Nutzern der Studentenbüchereien ermöglichen, sich im gesamten geistigen Leben ihrer Zeit orientieren und gesellschaftliche Diskurse kritisch zu begleiten.
Das besondere an der Studentenbücherei war zudem, dass sie von den Studierenden selbstverwaltet betrieben wurde und über mehrere Jahre eine Einrichtung des AStA war.
Den endgültigen Beweis für die Herkunft der Funde aus dieser Studentenbücherei lieferten Bücherfunde, die eigene Stempel der Studentenbücherei, aber auch die identische Zugangsnummer zu den AStA-Büchern besaßen.
Abb. 2: Stempel der UB Köln und durchgestrichener Stempel der Kölner Studentenbücherei
Die Archivrecherche zur Studentenbücherei ergab, dass diese zu Beginn des Zweiten Weltkriegs noch über einen Bestand von 8.000 Bänden verfügt hatte, nach dem Krieg jedoch nur ein Viertel davon noch vorhanden war. War es möglich, dass zumindest ein Teil des Bestandes in der USB gelandet war?
Die Verzeichnung des Bestandes
Die Auswertung eines Bücherverzeichnisses von 1930 und diverser in verschiedenen Archiven erhaltener Erwerbungslisten der Studentenbücherei ermöglichte es, einen Großteil des ursprünglichen Bestandes zu rekonstruieren. Ein Abgleich mit dem Bestand der USB und die Autopsie der übereinstimmenden Bücher ergab mehrere hundert eindeutig der Studentenbücherei zuzuordnende Exemplare.
Die Katalogaufnahmen aller bisherigen Treffer wurden mit Hinweisen auf ihre Provenienz versehen. Zudem verlinken sie auf ein neuerstelltes Onlineportal zur Studentenbücherei. Dort werden interessierte Bibliotheksnutzer über die Geschichte der Studentenbücherei und ihren Bestand in der USB informiert. Außerdem ist es möglich, über eine Suchfunktion den Bestand der Studentenbücherei zu durchforsten und zumindest virtuell wieder zum Leben zu erwecken.
Die vorhandenen Unterlagen zur Studentenbücherei decken allerdings nicht die gesamte Erwerbungsgeschichte der Bücherei ab, weswegen sich auch weiterhin unentdeckte Bände in den USB-Magazinen verstecken werden.