Konzept eines Gender Thesaurus

von Jasmin Schenk

Abb. 1: Schlagwortwolke META-Projekt
Abb. 1: Schlagwortwolke META-Projekt

Angesichts aktueller und voraussichtlich in naher Zukunft startender Infrastrukturprojekte der Frauen-/Gender-Informationseinrichtungen einerseits und der Gender Studies andererseits verfolgt das das von Prof. Dr. Heike Neuroth betreute MALIS-Projekt das Ziel, auf den Sinn und die Notwendigkeit einer gemeinsamen gendersensiblen Dokumentationssprache hinzuweisen und Vorschläge für die Erarbeitung eines Gender Thesaurus zu entwickeln.

Die Pflege von eigenen Normdaten seitens der Frauen-/Genderinformationseinrichtungen ist erforderlich, weil die traditionellen bibliothekarischen Erschließungssysteme in Bezug auf gendersensible Sacherschließung bis heute eklatante Lücken und Asymmetrien aufweisen, die auf dichotomen Geschlechterstereotypen und dem Prinzip des generischen Maskulinums beruhen. Ein Gender Thesaurus wäre also nicht nur Zugangsvokabular für die Recherche in den thematisch spezifischen, interdisziplinären Beständen der Frauen-/Genderinformationseinrichtungen, sondern auch ein politisches Instrument feministischer/genderbewusster Sprachkritik im Allgemeinen und an androzentristisch geprägten bibliothekarischen Dokumentationssprachen im Besonderen.

Abb. 1: i.d.a.-Logo

Seit Oktober 2012 arbeiten die Einrichtungen des internationalen Dachverbandes der deutschsprachigen Frauen-/Lesbenarchive-, bibliotheken und –informations-einrichtungen i.d.a. (informieren, dokumentieren, archivieren) am gemeinsamen Projekt eines META-Kataloges, das vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) gefördert wird. Ziel ist der Aufbau einer zentralen Nachweisdatenbank zur Bündelung von genderspezifischem Wissen und zur Sichtbarmachung jahrzehntelang gesammelter Bestände von 36 deutschsprachigen Frauen- und Genderbibliotheken und -archiven.

Der i.d.a.-Dachverband begegnet damit den Nutzungserwartungen, indem die heterogenen Bestandsdaten aus unterschiedlichen Erschließungssystemen auf eine möglichst homogene Art und Weise in einem modernen Discovery System (VuFind) zugänglich gemacht werden.

Abb. 3: Ergebnisanzeige in der VuFind-Testinstallation des META-Katalogs

Im Mai 2015 haben drei kooperierende Institutionen (Freie Universität Berlin, Humboldt Universität zu Berlin und Technische Universität Berlin) einen DFG-Antrag zur Einrichtung eines Open-Access-Repositoriums für Gender Studies eingereicht. Es handelt sich dabei um eine Empfehlung der DFG nach Abschluss des FU-Projektes „Geschlechterforschung und Open Access“ aufgrund des „nach wie vor bestehenden Entwicklungsrückstands der Geschlechterforschung im Umgang mit neuen Publikationsmöglichkeiten“ (http://www.zefg.fu-berlin.de/publizieren/).

Die zwei genannten Projektvorhaben stellen, nicht zuletzt durch bestehende Kontakte und personelle Überschneidungen, im Falle Ihrer Realisierung und Verstetigung die Grundlage für eine zukunftsorientierte Informationsinfrastruktur für die interdisziplinäre Genderforschung dar. Zudem bestehen bereits internationale Netzwerke, durch die in der Vergangenheit erfolgreich Kooperationsprojekte realisiert wurden und welche die Umsetzung weiterer Folgeprojekte auf europäischer Ebene nahelegen. Es empfiehlt sich daher in engem Erfahrungsaustausch Thesauri so zu modellieren, dass zukünftig Verknüpfungen realisiert werden können.

Ein basierend auf der Analyse vorhandener Thesauri und Schlagwortkataloge der i.d.a.-Einrichtungen entwickelter, interdisziplinärer Gender Thesaurus und dessen Verbreitung in Informationssystemen der Frauen-/Genderinformationseinrichtungen und der Gender Studies bringt gleich mehrere innovative Chancen mit sich:

  • Es wird eine Brücke geschlagen zwischen den Informationseinrichtungen und den Forschungseinrichtungen der Gender Studies bei gleichzeitiger Verwendung des Gender Thesaurus im geplanten Gender Repositorium.
  • Die Vereinheitlichung der bisher heterogenen Schlagwortlisten und Thesauri, die in den Frauen/Genderinformationseinrichtungen zur Sacherschließung zum Einsatz kommen, wird vorangetrieben.
  • Einrichtungen, die bisher nur unzureichend oder gar nicht inhaltlich erschließen (können), bekommen ein wirksames Werkzeug zur Hand.
  • Das Information Retrieval im META-Nachweiskatalog wird optimiert.
  • Ein Gender Thesaurus bietet Chancen, über Debatten in Fachpublikationen hinaus, Referenzsystem für allgemeine Klassifikationen, Schlagwortnormdateien und Thesauri zu werden, um damit auch in sonstigen Bibliotheken und Archiven genderrelevante Bestände besser sichtbar und auffindbar machen zu können.

Um das Information Retrieval in META zu optimieren, wäre die Erstellung eines Gender Thesaurus wünschenswert, der sich aber nur bei einer Fortsetzung und Verstetigung des Projekts realisieren lässt.

In einem ersten Schritt könnte dann, basierend auf den in META zusammengeführten Schlagwortlisten der einzelnen i.d.a.-Einrichtungen, der Grundstock eines gemeinsamen Thesaurus gebildet werden. Dieser Basis-Thesaurus kann dann in META zusätzlich zu den verbleibenden (vom Thesaurus nicht berücksichtigten) freien Schlagworten zur Recherche angeboten werden. So wird die Vereinheitlichung gefördert und ein kontrolliertes Vokabular angeboten, ohne den Verlust von Informationen hinnehmen zu müssen, da die spezifischen Besonderheiten der Sacherschließung zusätzlich erhalten blieben. Je nach Kapazität wäre es wünschenswert, wenn die Vereinheitlichung der Schlagworte nicht nur in META passieren, sondern auch zurückgeführt werden und schrittweise die unterschiedlichen Vokabulare der Lokalsysteme von der Standardisierung profitieren würden.

Auch bei der Ausgestaltung eines digitalen Frauenarchivs, wie es im Koalitionsvertrag der Bundesregierung gefordert wird, sieht sich der i.d.a.-Dachverband in der Verantwortung, aufbauend auf dem META-Projekt, die umfassende Fachkompetenz der Mitgliedseinrichtungen in einzubringen. Mit dem META-Katalog, der Ende 2015 erstmals online präsentiert werden wird, existiert dann bereits ein Nachweissystem für die relevanten, vielseitigen Bestände zur Frauenbewegung und Geschlechtergeschichte, das in einem ersten Schritt durch Digitalisate angereichert werden kann. Perspektivisch gesehen bietet sich damit die einzigartige Möglichkeit, ein Fachportal aufzubauen, dass nicht nur wertvolles Forschungsmaterial anschaulich verfügbar machen, sondern als zentraler Aggregator auch Zulieferer für die Deutsche Digitale Bibliothek und Europeana werden kann.

Sollten die oben beschriebenen Projekte im Sinne des i.d.a. Dachverbandes umgesetzt werden, gäbe es ein Digitales Frauenarchiv auf Basis der META-Nachweisdatenbank, das idealerweise auch durch eine Kooperation mit dem Repositorium der Gender Studies verknüpft würde. Damit wäre eine Infrastruktur mit gemeinsamer Dokumentationssprache geschaffen, auf der durch weitere internationale Kooperationen aufgebaut werden kann.

Profil der Autorin

Publikation:

Jasmin Schenk: Konzept Gender Thesaurus. Zur Bedeutung einer gemeinsamen Dokumentationssprache für Forschung und Informationseinrichtungen in: Mitteilungen der Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare Bd. 2, Nr. 69 (2016): Schwerpunktthema “Gender & Diversity”

 

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